3. April 2025

Helmut Kohl würde heute 95 Jahre alt.

Wir, die Helmut-Kohl-Stiftung, erinnern aus diesem Anlass an diesen bedeutenden Staatsmann und sein großes Lebenswerk.

Geboren 1930 prägten die schlimmen Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) Helmut Kohls Kindheit. Die Kriegserfahrungen bestimmten die wesentlichen Leitlinien seines Lebens. So engagierte er sich schon als Sechzehnjähriger politisch. Im Laufe seines Lebens hatte er zahlreiche politische Spitzenämter inne. Von 1982 bis 1998 war Helmut Kohl deutscher Bundeskanzler. Es waren insgesamt gute Jahre für Deutschland, Europa und die Welt.

Helmut Kohl trat sein Amt als Bundeskanzler 1982 in wirtschaftlich und politisch schwierigen Zeiten an. Erstmals wurde mit ihm im Deutschen Bundestag ein Bundeskanzler über das sogenannte „konstruktive Misstrauensvotum“ ins Amt gewählt und wurde sein Vorgänger damit zugleich abgewählt. Wenige Monate später folgte die auf Helmut Kohls Betreiben vorgezogene Bundestagswahl (6.3.1983), mit der er sich dem Volk zur Wahl stellte, das ihn im Amt bestätigte.

Mit seinem durchgreifenden Politikwechsel unter der Überschrift „geistig-moralische Wende“ und einem zügig eingeleiteten „Dringlichkeitsprogramm“ sorgte er für neues Vertrauen der Menschen in den Staat und wirtschaftlichen Aufschwung. 1983 setzte er den NATO-Doppelbeschluss in Deutschland durch; er stabilisierte damit die NATO, sicherte unsere Wehrfähigkeit im Bündnis und ebnete zugleich den Weg zur Beendigung des Kalten Krieges zwischen Ost und West sowie zum Mauerfall im Herbst 1989. Ohne Helmut Kohl hätte es die deutsche Einheit 1990 nicht gegeben; er vereinte West- und Ost-Deutschland ohne Blutvergießen, mit der Zustimmung all unserer Nachbarn und Partner. In Europa sorgte er für neue Dynamik; gemeinsam mit den europäischen Partnern führte er Europa ab 1982 aus dem Zustand des drohenden Zerfalls heraus (der sogenannten „Eurosklerose“, wie man in Anlehnung an eine schwere Krankheit damals sagte) und brachte die europäische Einigung bis 1998 maßgeblich voran; auch die Einführung des Euro, mit dem die europäische Einigung nicht mehr umzukehren ist, ist ganz wesentlich ihm persönlich und seinem politischen Einsatz zu verdanken.

Es ist die Bilanz einer herausragenden Kanzlerschaft: Zu Beginn seiner Amtszeit herrschte Krisenstimmung in Deutschland und Europa. Die Weltlage war angespannt. Bei Helmut Kohls Ausscheiden im Herbst 1998 hatten wir in Deutschland und Europa eine in Frieden und Freiheit gesicherte Gegenwart. Wir konnten optimistisch in die Zukunft schauen und darauf hoffen, dass dies so bleiben würde. Wir waren wirtschaftlich und politisch gut aufgestellt. Wir waren gern gesehener Partner in Europa und der Welt. Das Fundament war gestärkt und belastbar.

Für sein Lebenswerk gilt Helmut Kohl als „Kanzler der Einheit“. Zum Abschied verliehen ihm seine europäischen Kollegen aus dem Kreis der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU) im Dezember 1998 den Titel „Ehrenbürger Europas“.

Mit seiner politischen Lebensleistung hat Helmut Kohl Geschichte geschrieben. Kein deutscher Bundeskanzler vor ihm und nach ihm hatte ein derart starkes Gewicht in Europa und hatte derart gute, vertrauensvolle Beziehungen innerhalb Europas sowie auf der ganzen Welt.

© Daniel Biskup © Daniel Biskup

Helmut Kohl hat dies am 3.9.1998 im Bundestag, kurz vor seinem Abschied, so beschrieben:

„Wir alle können stolz darauf sein, dass Deutschland heute ein ruhender Pol in der Völkergemeinschaft und eines der einflussreichsten Länder in der westlichen Welt ist.“

„Es ist kein Grund zur Kritik, sondern ein Grund zur Freude, dass die Bundesrepublik Deutschland zwei Jahre vor dem Ende dieses Jahrhunderts [...] ausgezeichnete Beziehungen zu Washington, Paris, London, Moskau und auch zu Tokio und Peking hat.“

„Ich sage mit Stolz: Wir genießen weltweit hohes Ansehen, vor allem als berechenbarer, verlässlicher Partner. Unser Rat und unser Beitrag sind gefragt.“

„Das Vertrauen, das Deutschland genießt, ist ein kostbares außenpolitisches Kapital.“

(Seine Rede am 3.9.1998 finden Sie unter: Zum Geburtstag 2021)

In Helmut Kohls Worten am 3.9.1998 lagen auch Sorge und die Mahnung an die Politik und sodann seine Nachfolger, sich auf dem mühsam Erreichten niemals auszuruhen und das Erreichte nicht zu verspielen.

Diese Sorge hat ihn angesichts der Entwicklung nach seinem Abschied weiter umgetrieben. In einem großen Interview zur Außen- und Sicherheitspolitik äußerte Helmut Kohl im Sommer 2011:

„Wenn ich dagegen die Entwicklung der vergangenen Jahre betrachte [...], dann frage ich mich schon, wo Deutschland heute eigentlich steht und wo es hinwill. Und diese Frage stellen sich andere natürlich auch, auch unsere Freunde und Verbündeten im Ausland. Ich will einen Punkt nennen [...]: Als vor einigen Wochen der amerikanische Präsident Obama nach Europa kam, war er unter anderem in Frankreich und in Polen, aber nicht in Deutschland. Nach allem, was wir Deutschen und Amerikaner gemeinsam erlebt und durchlebt haben und was uns bis heute tief verbindet, hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich einmal erleben muss, dass ein amtierender amerikanischer Präsident nach Europa kommt und über die Bundesrepublik hinwegfliegt, ich könnte auch sagen, über sie hinweggeht.“

„Wir müssen aufpassen, dass wir nicht alles verspielen. Wir müssen dringend zu alter Verlässlichkeit zurückkehren.“

„Wir müssen wieder und für andere erkennbar deutlich machen, wo wir stehen und wo wir hinwollen, dass wir wissen, wo wir hingehören, dass wir Werte und Prinzipien haben, die über den Tag hinaus gelten, für die wir einstehen und für die wir werben“.

„Die größte strategische Herausforderung für Europa ist derzeit Europa selbst. Es ist an der Zeit, dass Europa sich darauf besinnt, dass und welche Verantwortung es für die Welt als Ganzes hat. Wir müssen aus dem Klein-Klein dringend heraus und wieder stärker mit einer Stimme sprechen.“

„Die wichtigsten außenpolitischen Prioritäten für die Bundesrepublik und Europa liegen darin, dass Deutschland und Europa an der Seite der USA verlässlich Verantwortung für die Welt als Ganzes wahrnehmen. Neben Russland, China, Asien, der arabischen Welt gehört dazu auch Afrika, das wir bei allen Schwierigkeiten und Problemen, die dort bestehen, nicht vergessen dürfen.“

(Das Interview in Gänze finden Sie unter: Zum Todestag 2024)

Auf gleicher Linie schrieb Helmut Kohl 2014 in seinem Buch zur Bedeutung Europas:

„Wir waren in Europa schon einmal sehr viel weiter. Wir waren Ende des 20. Jahrhunderts – bei allen Rückschlägen, die es auch gegeben hatte – weit vorangekommen und auf einem sehr guten Weg. Dagegen kann das Bild, das Europa oder besser gesagt die gesamte westliche Welt seit einigen Jahren in der multipolaren Welt bietet, nichts anderes als Sorge bereiten, und das tut es, auch mir. Nationale Fragestellungen und europäische Fehlentwicklungen [...] drohen zunehmend die eigentliche Idee Europas zu verdrängen. Das geschieht nicht selten zugunsten längst vergangen geglaubter nationalstaatlicher und regionalpolitischer Tendenzen und Egoismen und bisweilen auch zugunsten allzu durchsichtiger Einzelinteressen.“

„Es ist erstaunlich und erschreckend, mit welchem Kleinmut und fehlender Weitsicht, mit welch andauernder Krisendiktion, vor allem auch mit welcher Geschichtsvergessenheit und historischen Ignoranz seit Beginn des neuen Jahrhunderts und Jahrtausends in West wie Ost, in Deutschland wie in anderen Ländern über das Projekt Europa, miteingeschlossen die transatlantischen Beziehungen und die Beziehungen zu Russland, diskutiert und mit ihm umgegangen wird.“

„Haben wir vergessen, dass der Friede und die Freiheit – das ist die entscheidende Lektion der Geschichte – keine Selbstverständlichkeit sind?“

„Je weiter der Zweite Weltkrieg und sein Ende mit der Stunde Null zurückliegen [...] und je wohlhabender und bequemer wir werden, desto leichter scheint manchem das Bewusstsein abhandenzukommen, wie wichtig das geeinte Europa, eingebettet in die transatlantische Partnerschaft mit den USA und Kanada, für uns alle und die Welt als Ganzes ist, was Europa bedeutet und wie es funktioniert.“

„In diesem Sinne wünsche ich mir für unser Land und für Europa, dass wir wieder mehr über Inhalte sprechen und über die Ziele, darüber, wohin wir gehen wollen, und dass der Mut für politische Gestaltung wieder zunimmt, auch das Bewusstsein, dass Geschichte keineswegs zwangsläufig, sondern das Ergebnis des Handelns von Menschen ist.“

(Aus: „Helmut Kohl: Aus Sorge um Europa – Ein Appell“, Droemer-Verlag, München, 2014)

Zeichnung v. Ernst Günter Hansing, 1996 (Zeichnung v. Ernst Günter Hansing, 1996)

Die Worte Helmut Kohls zum Ende seiner Kanzlerschaft (1998) und nach seinem Abschied aus der Politik – hier von 2011 und 2014 – machen nachdenklich. Sie verhallten damals folgenlos und klingen heute, Jahre später, wie eine frühe Prophezeiung.

Dahinter steht ein herausragender Staatsmann mit einem großen politischen Lebenswerk, an das wir, die Helmut-Kohl-Stiftung, anlässlich seines 95. Geburtstags in Dankbarkeit und Respekt erinnern – erst recht in diesen Zeiten großer politischer Unsicherheit.

Danke Helmut Kohl für ein Leben im Dienst der Menschen und der Demokratie!

Danke für viele gute Jahre in Frieden und Freiheit!

Maike Kohl-Richter, Ludwigshafen zum 3. April 2025
Vorstand der Helmut-Kohl-Stiftung e.V.